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Sie ist die einzige echte Frau im Bienenstock. Nur sie hat vollständig entwickelte Geschlechtsorgane und nur sie kann für den Fortbestand ihres Volkes sorgen. Die Bienenkönigin ist ständig von emsigen Hofdamen umgeben. Die sorgen für ihr Wohlbefinden, pflegen, schützen und füttern sie, damit sie als Große Mutter ihrer wichtigsten Aufgabe nachgehen kann: Eier  legen und für Bienennachwuchs sorgen.

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Die Sonderstellung der Bienenkönigin zeigt sich bereits vor ihrer Geburt. Anders als Arbeiterinnen und Drohnen wächst sie in den geräumigen Weiselzellen heran, die Arbeiterinnen als Wiegen für neue Prinzessinnen gebaut haben. Innerhalb von nur 16 Tagen entwickelt sich aus einem normal befruchteten Bienenei eine neue Majestät.

Diese erstaunliche Bienenkarriere ist einzig und allein eine Frage der richtigen Diät. Heranwachsende Arbeitsbienen werden nur in den ersten drei Larvenstadien mit Weiselfuttersaft gefüttert. Danach werden Pollen

Bild: Bienenkönigin mit Arbeiterinnen; Autor: Jessica Lawrence

und Honig zu ihrer Hausmannskost. Für Bienenprinzessinnen dagegen steht das  Königinnensekret aus der Futtersaft- und der Oberkieferdrüse der Arbeiterinnen, durchgängig auf dem Speiseplan.

Der Stoff, der aus einem Bienenaschenputtel eine Königin machen kann, trägt den sprechenden Namen "Gélee Royale", wörtlich übersetzt: Königliche Soße. Die eiweißreiche Kraftnahrung wurde 2011 von japanischen Forschern analysiert, die ein spezielles Protein isoliert haben. "Royalactin" heißt die Eiweißverbindung, die wahrscheinlich die Entwicklung zur Königin auslöst. Die Spezialkost sorgt auch für ein Turbowachstum der Bienenmajestät.

Wenn die Prinzessin sich am Ende ihrer Metamorphose durch den Deckel ihrer Weiselzelle frisst, hat sie sich 5 Tage rascher entwickelt als eine Arbeiterin.  Und sie ist nicht nur deutlich schneller gewachsen. Die neue Queen unterscheidet sich auch bezüglich ihrer Größe auffällig von ihrem Volk. Mit einem Gewicht von 0,25 Gramm ist sie zweieinhalb mal schwerer als eine Arbeitsbiene. Ihre Körperlänge liegt zwischen 18 und 25 mm (Arbeitsbienen 12 bis 15 mm).800px-Weiselzellen_68a.jpg

zum Bild:Zwei Weiselzellen wurden von der Wabe entfernt und geöffnet, um die Entwicklung einer Bienenkönigin der Westlichen Honigbiene zu zeigen. Die Larven schwimmen zunächst, wie hier zu sehen, als Rundmaden waagrecht an der Unterseite des Königinfuttersafts (Gelée Royale), der sich oben in der anfangs nach unten offenen Zelle befindet. Wenn sich die Zellen in ihrer natürlichen Lage befänden, würde man die Larven so sehen, wenn man senkrecht nach oben blickt. Die Larven sind etwa vor 3 und 4 Tage aus dem Ei geschlüpft oder ab Eilage etwa 6 bzw. 7 Tage alt. Autor: Waugsberg

Die frisch geschlüpfte Königin, der Imker würde sie spätestens jetzt “der Weisel” nennen,  besitzt wie die Arbeiterinnen einen Stachel. Ein einziges Mal, kurz nachdem sie ihre Wachszelle verlassen hat, kommt er zum Einsatz. Ihr Giftstachel ist die Tatwaffe in einem mehrfachen Geschwistermord, mit dem die Erstgeborene ihre Regentschaft beginnt.

In bis zu etwa einem Dutzend Weiselzellen stehen nämlich weitere Bienenprinzessinnen kurz vor dem Schlüpfen. Die Arbeiterinnen haben diese sicherheitshalber als Reserveköniginnen großgezogen und betreut, denn es könnte ja auch etwas in der Entwicklung der herrschaftlichen Larven falsch laufen. Noch vor dem Schlüpfen hat sich die erstgeborene Jungkönigin mit einem laut vernehmlichen "Quaken" vergewissert, dass die alte Königin den Stock verlassen hat. Unter normalen Umständen ist das bereits eine Woche vorher geschehen. Mit einem Teil des Volkes, einem Schwarm, hat sie den Stock verlassen, um anderswo einen neuen Bienenstaat zu gründen. Sollte das noch nicht passiert sein, weil z. B. nasskaltes Wetter das Schwärmen nicht zugelassen hat, bekundet die Altkönigin mit einem "Tüten" ihre Anwesenheit. In einem solchen Fall verhindern die schwarmlustigen Arbeiterinnen, dass es zum Kampf der Königinnen kommt.

 

Bekommt die junge Regentin keine Antwort, kann sie als erstgeborene Tochter ihr Regime im Bien antreten. Jetzt gibt sie mit "ihrem Tüten" den Ton an. Auf die lautstarke Selbstproklamation antworten die noch nicht geschlüpften "Prinzessinnen" ihrerseits mit einem deuitlich vernehmbaren "Quaken". Dieser Wechselgesang wird ihnen zum Verhängnis. In ihren Weiselzellen sind die Spätentwickler dem Giftstachel der Erstgeborenen wehrlos ausgeliefert. Die Alleinherrschaft beginnt mit dem Mord an den Konkurrentinnen.

Neben ihrer herausragenden Gestalt sind die im Verhältnis zu ihrer Größe relativ kurzen Flügel der Königin anatomisch auffällig. Gelegenheiten, diese einzusetzen, sind selten. Vielleicht braucht sie sie später einmal, wenn sie als künftige Altkönigin mit einem Schwarm den Stock verlässt, um wie ihre Vorgängerin eine neue Kolonie zu gründen. Aber zunächst einmal steht ihr Hochzeitsflug an.

Ihren Jungfernflug unternimmt die junge Regentin im Alter von ein bis zwei Wochen. Er ist einer der wenigen Höhepunkte ihres Lebens. Eskortiert von einer Gruppe Arbeiterinnen,  fliegt sie einmal oder auch mehrfach zu den so genannten Drohnensammelplätzen. Hier paart sie sich in rasanten Flugmanövern mit bis zu 12 Drohnen. In ihrer Samentasche sammelt sie einen Vorrat von über 10 Millionen Spermien, der für ihr gesamtes Leben als biologischer Dauerlegeorganismus reicht. Bis zu sechs Jahre lang kann sie von nun an ihre Eier befruchten.

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Zum Bild:Gerade vom Hochzeitsflug zurückkehrende Königin mit abgebrochenen Geschlechtsteil des letzten Drohn. Foto: Josef Rosner

Zurück im Bienenstock wird sie endgültig zur Gefangenen ihrer Mutterpflichten. Von der Aufgabe, Nahrung einzutragen, ist sie befreit. Geputzt, beschützt und verpflegt wird sie von ihrem Hofstaat. Ihren im Vergleich zur Arbeiterbiene kürzeren Rüssel braucht sie nur zur Aufnahme des mundfertig gereichten Futters. Für das Bienenoberhaupt beginnt ein nach menschlichen Maßstäben eher langweiliges Leben. Als hochproduktive "Legemaschine". ist es ihre Bestimmung, im Dunkel des Biens für Nachwuchs zu sorgen, und im Laufe eines Sommers 150.000 - 200.000 Arbeitsbienen das Leben zu schenken. Von allen anderen Pflichten, etwa den Nachwuchs aufzuziehen, ist sie befreit. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, einen endlosen Strom von Eiern abzulegen, um den in den Erntemonaten enormen Bedarf an Arbeiterinnen aufzubauen und die täglichen Verluste auszugleichen.


Vom Frühjahr bis zum Spätsommer wandert sie dafür mit ihren ständigen Betreuern über die von den Arbeiterinnen vorbereiteten Brutwaben und "bestiftet" eine Zelle nach der anderen. In der Hauptbrutzeit gegen Ende Mai legt sie ihre Eier im Akkord. Bis zu 2.000 Eier täglich schafft sie, das ist mehr als ihr eigenes Körpergewicht. Ihre Fruchtbarkeit führt dazu, dass ihr Volk im Sommer auf über 50.000 Bienen heranwächst. Im Herbst und im Winter stellt sie ihre Legetätigkeit ein, um im darauffolgenden Frühjahr wieder ihre Massenproduktion an Arbeitsbienen aufzunehmen.

Der Geschlechtsapparat, in dem sich die Eier bilden und befruchtet werden, ist ein echtes Hochleistungsorgan. Von den 180—200 Eierstöcken gehen paarweise Eileiter ab, die sich zu einem einzigen Kanal vereinen. Mit dem ist ihre Samentasche, mittels eines kleinen Samenleiters verbunden. Aus dieser Spermathek befruchtete Eier begründen verschiedene Abstammungslinien  in einem Volk. Diese Fraktionen weisen voneinander abweichende Verhaltensmerkmale auf, und aus dieser genetischen Vielfalt resultiert die spezifische Eigenart ihres Volkes. Jeder Bienenstock entwickelt so gewissermaßen seine eigene "Kultur".

Die Königin kann wahlweise befruchtete oder unbefruchtete Eier ablegen. Sollen Arbeiterinnen entstehen, befruchtet die Bienenmutter die Eier mit den Spermien aus ihrem Samenvorrat. In die etwas größeren Drohnenwaben legt sie gezielt unbefruchtete Eier, aus denen dann die vergleichsweise wenigen männlichen Insekten hervorwachsen. In einem normalen Wirtschaftsvolk leben 500 bis 1000 Drohnen.

Doch die Königin hat auch "politische" Pflichten. Neben der Aufgabe als "Stockmutter" trägt die Regentin die Verantwortung für den Zusammenhalt ihres Volkes. Die Insekten erkennen ihre Stockmutter am Geruch. Die von ihr abgesonderte "Königinnensubstanz", ein Pheromon, das in ihren Mandibeln entsteht, wird durch den ständigen Futteraustausch innerhalb des Volkes auf alle Individuen der Kolonie übertragen. Dieser Duftstoff bildet das unverwechselbare sensorische Nationalsymbol eines Bienenvolkes.

Der Herrscherduft hat noch weitere bemerkenswerte Effekte: Er verhindert, dass Jungbienen lernen, wie man den Giftstachel einsetzt, was zum Erhalt des Stockfriedens beiträgt. Das Stechen lernen die Arbeiterinnen erst, wenn sie für Tätigkeiten im Außendienst reif sind.

Das Mandibelsekret verhindert auch, dass normale Arbeiterinnen anfangen, Eier zu legen. So etwas passiert erst, wenn die Königin stirbt. Dann erst können Arbeiterinnen ihre bis dahin nicht entwickelten Geschlechtsorgane entfalten und sie beginnen ersatzweise Eier zu legen. Aber aus den Eiern einer Arbeitsbiene können sich nur Drohnen entwickeln. Die spermienlose Ersatzmutter hat ja im Gegensatz zur Königin keine Samenvorräte, mit denen sie ihre Eier befruchten könnte.

Für die Bienen eines weisellosen Volks ist das ein letzter verzweifelter Versuch der Nachbeschaffung. Passiert das im Spätsommer, steht das Volk vor seinem Untergang. Dann kann nur noch der Imker die Bienen retten, indem er ihnen eine neue Königin gibt. Viele Imker halten für solche Fälle einen "Ableger" mit einer Jungkönigin in Reserve, den sie dann mit dem weisellosen Volk vereinen.

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Bild:Ein noch leeres Weiselnäpfchen am Rande einer Bienenwabe. Legt die Königin dort ein Ei hinein, wird die schlüpfende Larve mit Gelee Royal gefüttert  und eine Königin wächst heran. Autor Waugsberg

In der ersten Hälfte des Bienenjahres greifen die Bienen beim Verlust ihrer Queen zur Selbsthilfe. Stirbt die Königin, bemerkt das gesamte Bienenvolk diesen staatsbedrohenden Verlust sofort, denn mit ihrem Tod ist auch ihr Einheit stiftender Duft verloren gegangen. In einer Zeit, in der genügend junge Brut vorhanden ist, fangen die Bienen an, einige Brutzellen von jungen Arbeiterinnenlarven zu Weiselzellen umzubauen, um die darin heranwachsenden Larven durch die oben beschriebene Spezialdiät zu neuen Königinnen zu machen.

In der heute verbreiteten Magazinimkerei steuert der Imker die Vermehrung der Völker und er versucht, das Schwärmen der Bienen zu verhindern. Denn bei der natürlichen Teilung eines Bienenvolkes besteht immer das Risiko, dass der Schwarm entkommt, und das bedeutet den  Verlust von Honig und Bienen.

Ohne imkerlichen Eingriff schwärmen gesunde Völker mitunter mehrmals im Jahr. Vorher sind dann schon wieder neue Bienenprinzessinnen herangewachsen und der Lebens- und Vermehrungszyklus im Bienenstock beginnt von vorne. Der Exodus der alten Königin, das Schlüpfen der Jungregentin, der Geschwistermord, die Bienenhochzeit und das explosive Wachsen und Aufblühen des Bienenvolkes sind die Akte eines sich seit Millionen von Jahren wiederholenden Dramas der Natur.